Im südwestfälischen Freudenberg ist Ricarda Kendler für die neuesten Maschinen sowie für die angewandte Verfahrenstechnik zuständig. Ob für Reifen, Dichtung, Kabel oder Bremsbelag: „Wir können im Technikum nahezu alle Applikationen aus dem Polymerbereich im Testmaßstab realisieren und produzieren“, erzählt die Leiterin Technikum und Verfahrenstechnik der HF Mixing Group. Im größeren Labormaßstab sind zwei komplette Mischerlinien aufgebaut. „Hier schlägt das Herz unserer Forschung und Entwicklung.“
Mit rund 1000 Mitarbeitern an verschiedenen Standorten weltweit, davon rund 400 hier in Freudenberg, bedient die HF Mixing Group den kompletten Markt der kautschukverarbeitenden Industrie. Mischsaallösungen, die die gesamte Prozesskette von der Verwiegung über den Mischer bis zu den Nachfolgeaggregaten umfassen, und Automatisierungslösungen aus dem Siegerland sind bei Herstellern technischer Gummiwaren und der Reifenindustrie weltweit im Einsatz.
Im Technikum erfolgt die Entwicklungsarbeit nicht selten Hand in Hand mit den Kunden. Reifenhersteller und Technische Gummiwarenhersteller können hier beispielsweise neue Rezepturen entwickeln und an den installierten, vollautomatisierten Mischerlinien im Produktionsmaßstab testen. Schließlich wachsen die Anforderungen an Rohstoffe und Prozesse. Die Kautschukindustrie ist im Wandel. Wie die gesamte Industrie arbeitet man an Nachhaltigkeit und Digitalisierung.
„Wir müssen beweisen, dass neben dem gewünschten Durchsatz auch die Qualität der Mischung den jeweiligen Kundenanforderungen entspricht“, so die Mischtechnikexpertin. „So können wir unsere Produkte und Innovationen optimal präsentieren und unsere Kunden von unseren Produkten überzeugen.“ Für die Qualitätskontrolle sorgt dabei Prüftechnik des Würselener Messtechnikherstellers Pixargus.
Kendler hat in Bochum Maschinenbau mit der Fachrichtung Verfahrenstechnik studiert und kam nach der Promotion 2018 als Leiterin des Technikums ins Unternehmen. Seit 2021 ist sie ebenfalls für die Verfahrenstechnik zuständig. Ihre Leidenschaft ist die Analyse: „Wir wollen die Zusammenhänge besser verstehen und die Prozesse optimieren.“ In Freudenberg haben sie die Mischtechnik von der Anlieferung der Rohstoffe bis zur fertigen Mischung und der Weiterverarbeitung im Extruder, Walzwerk und der Fellkühlanlage im Blick. „Man kann kein Lehrbuch aufschlagen, sondern braucht sehr viel Erfahrung. Wir lernen hier jeden Tag dazu.“
Mit ihrem Team arbeitet sie zum Beispiel daran, den Energieverbrauch im Mischprozess zu senken. „Beispielsweise, in dem wir den Mischprozess optimieren und somit auch die Mischzeit und/oder Anzahl der Mischstufen verkürzen.“ Der Zeitpunkt, die Reihenfolge der Zugabe von Zutaten, die Drehzahl der Rotoren sowie weitere Prozessparameter sind wichtige Stellschrauben, an denen die Freudenberger drehen. Eine andere ist die richtige Maschinenauswahl. „Alles das bietet Möglichkeiten, Energie einzusparen und damit nachhaltiger zu werden.“ In einem aktuellen F&E-Projekt testen sie im Technikum neue Rotoren, die energieeffizienter mischen und einen höheren Durchsatz erzielen. Kendler weiß: „Wichtig ist, dass bei den vielen Stellschrauben für die Optimierung am Ende immer noch die Qualität stimmt.“ Und das kontrollieren sie hier in Freudenberg mit Prüftechnik aus Würselen.
Der größte Innenmischer im Technikum wirft gerade einen rund 35 Kilogramm schweren schwarzen Batch aus. Der separat stehende Laboreinschnecken-Extruder wartet schon und extrudiert aus dem Batch einen feinen Streifen. „Den lassen wir jetzt einfach unter dem Pixargus-System herfahren.“ Unter den Argusaugen der optischen Sensoren soll sich die Dispersionsqualität der Mischung erweisen. Sind die Partikel gleichmäßig zerkleinert, haben sich Kautschuk und Füllstoffe wie Ruß homogen vermischt? „Wir wollen hier keine großen Partikel und keine Agglomerate sehen.“
Das Inspektionssystem ProfilControl 7 Roughness von Pixargus erfasst dazu die Partikelgrößenverteilung. Eine spezielle LED-Beleuchtungseinheit taucht den Teststreifen in sattes Licht und eine hochauflösende Zeilen-Kamera nimmt lückenlos das Bild der Oberfläche auf. Eine spezielle Software wertet die Bilder in Echtzeit aus und erfasst etwa 100.000 Partikel pro Minute. Entspricht die Größenverteilung nicht der vorgegebenen Spezifikation, löst das System ein Alarmsignal aus. Schon kleinste Polymerstippen ab 20 µm werden zuverlässig erkannt.
Prüftechnik aus Würselen ist bei der HF Mixing Group schon seit rund 20 Jahren im Einsatz. Gerade erst haben sich die Freudenberger für ein neues Inspektionssystem von Pixargus entschieden. „Für uns haben die Vorteile überwogen“, so Kendler. Das beginne bei der einfachen Probenvorbereitung und der Möglichkeit, beliebig große Probenmengen lückenlos zu prüfen. Und deutlich gewichtiger: Das Pixargus-System kann sowohl Roh- wie Fertigmischungen prüfen. Die meisten Messmethoden seien dagegen auf die Prüfung von vulkanisierten Proben ausgelegt. „Wir wollen die Qualität aber direkt aus dem Mischer, das heißt im unvulkanisierten Zustand, prüfen. Und das können wir mit dem Pixargus-System auf jeden Fall realisieren.“
Die Prozessoptimierung ist in Freudenberg heute eng mit der Digitalisierung verknüpft. Der Maschinenbauer entwickelt Automatisierungslösungen für den Mischsaal, die weitere Effizienzpotenziale erschließen sollen. Es gehe beispielsweise um Ressourceneffizienz, aber auch um die Substitution teils schwerer körperlicher Arbeit und Auswege aus dem Fachkräftemangel. Die große Vision: „Wir wollen den kompletten Mischsaal mannlos gestalten“, erzählt Kendler. Herzstück bleibt in Freudenberg die Mischertechnologie. Denn die Kautschukexpertin weiß: „Die Qualität eines Compounds muss im Mischer erreicht werden, Nachfolgeprozesse und -Maschinen können darauf keinen großen Einfluss mehr nehmen.“
Das weiß man auch beim Messtechnikexperten in Würselen. Pixargus bietet ProfilControl 7 Roughness als kompakte Smartversion für Laborumgebungen und als Inline-System für den Mischsaal an. „Wir treiben die einfache Integration in die Linie und die schnelle Umrüstbarkeit noch weiter voran“, erzählt Vertriebsleiter Michael Frohn. Die Software des voll vernetzten Systems bietet zahlreiche Analysefunktionen. Mit der Analyse der Daten aus dem Mischsaal und denen der Inspektionssysteme am Ende der Produktionskette kann beispielsweise ermittelt werden, welche Compounds die optimale Qualität erzielen und welche Ausschuss verursachen. „Das erhöht noch einmal die Prozesssicherheit“, so der Vertriebsleiter. Auf die langjährige Zusammenarbeit mit den Freudenbergern ist man stolz. „Die HF Mixing Group gehört zu den Kunden der ersten Stunde“, freut sich Frohn.